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Ueber die Tariqah As-Safinah und ihren Dialog mit dem Anderen

CIBEDO, Nr. 3/1999, 13. Jahrgang, S. 113f.:

Partner im Dialog


Im Rahmen des Sufismusbeitrages in Heft 1/99 war uspruenglich auch eine Selbstdarstellung der Tariqat As-Safinah (Bonn) geplant. Da der Text bis zum Redaktionsschluss nicht fertiggestellt werden konnte, hat Cibedo-Beitraege angeboten, ihn zu einem spaeteren Zeitpunkt abzudrucken. Jetzt liegt er vor:

Bismillahi-r-Rahmani-r-Rahim
Beim Namen des gnaedigen und erbarmenden Gottes

Die Tariqat As-Safinah und ihr Dialog mit dem Anderen

Martin Bubers bekannter Ausspruch drueckt in wenigen Worten aus, was Dialog ist: "Alles wirkliche Leben ist Begegnung."

Damit Begegnung als echt und nuetzlich erfahren wird, muss sie auf allen Ebenen unseres Seins angestrebt, geuebt und gelebt werden: im Alltag, in der Familie, in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, in der Schule etc.; von Gruppe zu Gruppe, Ordensgemeinschaft zu Ordensgemeinschaft, (religioeser) Institution zu Institution; national und international.

Eine der Gemeinschaften in Deutschland, die dem Dialog in besonderem Masse verpflichtet ist, ist die Sufi-Ordensgemeinschaft As-Safinah (arabisch: Tariqat As-Safinah), Bonn.

Die in diesem Orden eingebundenen Menschen - Maenner und Frauen aus den drei abrahamitischen Traditionen - stehen im staendigen Dialog mit allen anderen, insbesondere im Miteinander als Juden, Christen und Muslime.

Die Tariqat As-Safinah wirkt sehr vielfaeltig in den zwischenmenschlichen Beziehungen, engagiert sich gleichfalls sehr rege bei religioesen - teilweise auch politischen -Bildungsveranstaltungen, Seminaren und Tagungen. Ebenso findet Dialog miteinander in spirituellen Klausuren statt.

Die vielfaeltigen Aktivitaeten in der Oeffentlichkeit laufen in der Regel in Zusammenarbeit mit und im Namen der Deutschen Muslim-Liga Bonn e.V. DMLBonn), Bonn, deren 1. Vorsitzender, Schech Bashir Ahmad Dultz, gleichzeitig Schech (Ordensfuehrer) der Tariqat As-Safinah ist.

Die Niederlassung der Ordensgemeinschaft entstand 1983 in Bonn, wo Schech Bashir Ahmad sich ansiedelte, als er nach mehr als 30 Jahren Lebens in der arabischen Welt (unfreiwillig) nach Deutschland zurueckkehrte. Mit ihrer Gruendung befolgte er den Auftrag seines inzwischen - als 105jaehriger  - verstorbenen Schechs, die Ideale und die Arbeit des Ordens nach Deutschland zu tragen.

Der Orden sieht sich im Lande seines Hauptsitzes in der arabischen Welt seit bald 25 Jahren Verboten und Verfolgung ausgesetzt. Das dortige Regime gestattet neben den staatlichen Organisationen keine anderen Organisationen. AS-SAFINAH ist, diesen Umstaenden entsprechend, ein Schutzname.

Am "Baum" ISLAM ist einer der grossen Aeste des Tasawwuf (arabisch fuer "Sufismus") die Schule der Schadhilia - benannt nach dem Ordensgruender Sidi Abu Aly Abu-l-Hasan Asch-Schadhuli (geboren 593 n.d.H. / 1196 n.Chr., gestorben 656 n.d.H./1258 n.Chr.) -, die ihrerseits weitere Verzweigungen hervorgebracht hat.

Der Zweig des Schechs Sidi Abu-l-Abbas Ahmad Al-Mursi Al-Andalusi (geboren 616 n.d.H / 1219 n.Chr. in Murcia, Andalusien, gestorben 686 n.d.H. / 1287 n.Chr. in Alexandria) traegt auch den Schech Sidi Abu-l-Abbas Ahmad ibn Mustafa Al-Alawi Al-Mustaghanimi (geboren 1285/86 n.d.H. / 1869 n.Chr. in Mustaghanem, gestorben 1352/53 n.d.H./1934 n.Chr. in Mustaghanem, Algerien).

Zu Schech Ahmad ibn Mustafa Al-Alawis Schuelern wiederum zaehlte auch Schech Bashirs Schech, der Vater des gegenwaertigen Schechs am Hauptsitz des Ordens.

Wie in jedem Sufi-Orden sind auch im Leben der Mitglieder der Tariat As-Safinah zwei Aspekte von Bedeutung, die sich gegenseitig ergaenzen: einerseits die Entwicklung des eigenen Selbst, d.h. letztendlich die persoenliche Beziehung des Selbst zu ALLAH, und andererseits die Beziehungen und Aufgaben von Mensch zu Mensch.

Islamisch ausgedrueckt, geht es um die Bemuehungen des Einzelnen wie der Gemeinschaft in der sichtbaren und in der unsichtbaren Welt, d.h. um die staendig wachsende Verinnerlichung des Islam.

Das Wort Islam bedeutet "sich in Frieden dem Willen Gottes ergeben/hingeben". So geuebt ist "Islam" - fuer Juden gemaess ihrer empfangenen Rechtleitung, fuer Christen nach der ihren und die Muslime nach der ihrigen - unseren Religionsgemeinschaften gemeinsam. Gemeinsam ist uns unser Bemuehen um Islam in diesem Sinne, und so ist es auch Grundlage fuer gleichberechtigte und vertrauensvolle Zusammenarbeit der "Kinder Abrahams" in der Tariqah seit Andalusien.

Diese Ideale wurden nicht nur in Andalusien, sondern vielerorts gepflegt.

So hat die Schadhiliya-Tariqah beispielsweise in Syrien sehr viele Anhaenger. Dort wurden sowohl das regelmaessige Lesen der Hebraeischen Bibel und des Neuen Testaments, als auch die geschwisterlichen Beziehungen zu den anderen "Geschwistern der Buchreligionen" gefordert und gelebt.

Im Jahre 1892 brach eine Schecha von Koraun Bubac, dem Norden des Hernon Gebirges, zu einer Predigt-Reise durch Syrien auf und besuchte Moscheen in Damaskus, Hasbiya, Sidon, Tyre und viele andere Orte. Sie rief zu Reform und aufrichtigem Leben auf und verlangte, dass Muslime, Christen und Juden ihre Geschwisterlichkeit praktizierten.

Auch in der Tariqah As-Safinah sind Angehoerige aller drei Religionen geschwisterlich vereint. Keinesfalls sollen dabei die drei Religionen vermischt werden, - es geht vielmehr darum, nebeneinander, miteinander, je auf die eigene Art und Weise und in den eigenen Worten, im Guten zu wetteifern und den Herrn zu lobpreisen.

Ebenso waren in der Muslimischen Gemeinde Deutschland, die 1934 auf Staatsbefehl aufgeloest und verboten wurde, - wie auch in der Deutschen Muslim-Liga Bonn (DMLBonn) heute - Nichtmuslime als Mitglieder willkommen und in der Tat auch dabei.

Seit der fruehesten andalusischen Zeit der Tariqah ueben wir die Verwirklichung des von ALLAH im Qur'an geforderten Gebots an die Ahl-al-Kitab ("die Gemeinschaft der Schriftbesitzer"), "miteinander im Guten zu wetteifern, bis ihr alle zu MIR (d.h. zu Gott) zurueckgekehrt seid". Dieses gemeinsame "im Guten wetteifern" findet seinen erkennbaren Ausdruck im Ringen der Mitglieder und Freunde des Ordens um das Erleben Gottes - "WIR (Allah) sind euch naeher als eure Halsschlagader", wie es im Qur'an heisst. Die Anbetung Gottes, das Lobpreisen im regelmaessigen Dhikr (Gottesgedenken) und die Verinnerlichung der Gebete sind der eine der beiden Fluegel fuer unseren Flug durch das Leben.

Der zweite Fluegel ist das Befolgen von Qur'an und Sunnah, bzw. fuer Juden und Christen das Befolgen ihrer jeweiligen Buecher und Traditionen, sowie die Anstrengung und das Bemuehen (d.h. der "Dschihad"), um die Ideale von Gerechtigkeit, Frieden und Liebe zu verwirklichen.

Schech Bashir hat 1989 die organisatorische Gestaltung der Tariqah in Deutschland von der in der arabischen Welt geloest, - die erwaehnten dortigen politischen Umstaende spielten dabei eine Rolle. Ebenso bedeutsam ist jedoch sein eigenverantwortliches Engagement fuer den wichtigsten Aspekt der weltlichen Arbeit des Ordens, naemlich der Umsetzung der vollen Gleichberechtigung der Frau in der Tariqah.

Dieser andalusische Aspekt des Ordens ist auch schon damals in Andalusien und an vielen Orten immer und immer wieder vernachlaessigt, vergessen oder zuweilen auch richtiggehend unterdrueckt worden.

In seinem Wollen und Bemuehen, seinem "Dschihad" gegen Unrecht und Unterdrueckung, steht er in einer Reihe von Mitkaempfern gegen jeden menschenverachtenden "Ismus".

Seine klare und feste Haltung in Wort und Tat, gerade auch gegenueber muslimischen - oder vielleicht besser "islamistischen" - Organisationen, sind uns Anleitung im Alltag: KEIN RASSISMUS, KEIN TOTALITARISMUS, KEIN SEXISMUS, KEIN KOLONIALISMUS, keine Benachteiligung der Schwachen jeglicher Art.

Schech Bashir kam vor 50 Jahren zum Islam und vor 35 Jahren zum Tasawwuf. Sein Weg fuehrte ihn von der Ordensgemeinschaft der Senussiyah ueber die Riffai und die Isawiyyah zu seinem - inzwischen verstorbenen - Schech, mit dem er mehr als 20 Jahre verbrachte, bis hin zu seiner Verselbstaendigung. Dieser Weg im Islam/Tasawwuf hat den Schriftgelehrten Schech Bashir zu unserem Schech werden lassen.

Er moechte die Tariqah nicht - wie im Tasawwuf ueblich - nach dem Namen des lebenden Schechs nennen, also At-Tariqah Al-Bashiriyah, sondern sie unter dem Namen As-Safinah weiterfuehren.

Nach dem "Sufi"-Ideal "Kein Schech ohne Schech" ist er voller Hoffnung, auch fuer sich selbst bald wieder einen lebenden Meister zu finden.

Moege ALLAH unseren Dhikr-Kreisen (d.h. den Runden des Gottgedenkens) und unserer Arbeit im Alltag Seinen Segen schenken, so dass beides, alles, angenommene "Ibadat" (Dienen/Anbetung) ist. Und moege Sein Segen und Frieden ruhen auf unserem Propheten Muhammad und seiner Familie und den ihm vorangegangenen Propheten allen und auf unseren Schechs. Und wir beten zu Ihm, dass er Seine Schoepfung in Gnade halten moechte.

Subhan'ALLAH wa alhamduliLLAH wa la ilaha illa'LLAH wa ALLAHu akbar.

Karimah K. Stauch
Bonn, 25. Safar 1420 / 10. Juni 1999



Tariqah As-Safinah - 1423 / 2002